Steg im Tösstal – Schnebelhorn – Libingen SG
Nummerierungen in Klammern wie (1) beziehen sich auf jene der Routen-Karte.
Hintergrund: Am Brüttenbach (7)
Der Nebel scheint mir immer auszuweichen. Muss vielleicht noch etwas an Höhe gewinnen.
November, also mehr Nebel, also Nebelmeer, also in die Höhe, also hoch genug, also über die Wolke, um die Wolke zu sehen. Mein Partner empfiehlt mir den Bachtel. Pah! Jedes Kind geht dort hinauf. Hörnli? Pfff ... nur schon die Verkleinerungsform des Namens weckt meine Verachtung. Der höchste, allerhöchste Berg im Kanton Zürich muss es sein ... <such, such>: das Schnebelhorn. Meine Wetterapp kündigt eine Nebelobergrenze von zwischen 800 und 900 Metern an. Da sind mir Bachtels und Hörnlis viel zu unsicher, um drüber zu kommen. Ausserdem handelt es sich beim Schnebelhorn um eine richtige Bergwanderung. Ich wähle extra die steilsten Wege aus.
Heute laufe ich das erste Mal in der Wanderhose meiner kürzlich verstorbenen Schwester M. Danke, M., ich werde auf dem Horn an Dich denken und hoffe, dass Du mich darin siehst. Dort werde ich Dir näher sein als im unterländischen Zürich, halt eben über den Wolken. Vielleicht höre ich Dich Harfe spielen ...? Du warst auf Erden schon recht musikalisch.
Nun, gut. Jetzt geht es darum, die Start- und Endpunkte zu setzen wo der ÖV fährt. Zwischen Fischenthal und Steg wäre da was zum Beginnen, aber dieser Bus fährt nur morgens extrem früh oder nach Feierabend für die Ausgängler(innen), für die Alten hat's nix. Tagsüber muss da offenbar niemand weg oder hin, obwohl's überall Häuser hat. Ich muss auf der Karte einen weiten Kreis ziehen, um das Ende der Route bestimmen zu können, wo es was hat, womit ich wieder nach Hause fahren kann. So geht's ins Toggenburg, um die Wanderung nicht bis in den Abend hineinziehen zu müssen – also praktisch ins Ausland.
Start an der ÖV-Station Steg im Tösstal Bahnhof
Steg im Tösstal (1)
Wohin wollte ich schon wieder? Egal, einfach in diese Richtung.
Steg fährt mir schräg ein. Zwar ist da ein – zumindest für mich – freudiges Wiedersehen mit der Töss, aber in dieser langgezogenen, vielfach unterbrochenen Siedlung herrscht so ein Durcheinander an Stimmungen und Stilen. Auch das Tösstal und das Dorf empfinde ich disharmonisch. Für jene, die das bestreiten: Ja, ich habe die «Altstadt» nicht besucht, aber immerhin die schöne alte Fabrik wahrgenommen.
(Alt-)Schwändi (3)
Ich bin schon ganz aufgeregt. Nebel ist ja fast schon das heutige Motto. Dort will ich eintauchen, hindurchwaten und aus seinem Meer 'gen Himmel steigen.
Blattmachersschürli / Chüefers (4)
Plötzlich ist's so auffällig wunderbar angenehm ruhig.
Feuerschwand (5)
Passt zu meinem Eindruck von Steg. Es wird über das Tal geschimpft.
Beschtenboden / Eggwegwald (6)
Wegen schlechter Zugänglichkeit zur kleinen Schlucht mit dem wirklich eindrücklichen Wasserfällchen habe ich diese Steinwand gefilmt, die das Rennen um's Spektakel auch so gewonnen hätte.
Beim Chlistuckli (8)
War wohl noch zuwenig steil. Die Sonne ist mir jetzt schon langsam ein bisschen zu freundlich.
Bei Grossegg (9)
So, die erste Steiletappe hinter mir, und jetzt aber das Nebelmee ... r? Das bitzeli im Hintergrund entspricht bei weitem nicht meinen Erwartungen.
Im wilden Osten von Zürch geht's brachial zu und her. Wir nähern uns offenbar den Katholiken im Toggenburg. Den Nebel habe ich inzwischen vergessen. Ist doch egal, dann ist halt schönes Wetter. Ich bin ja flexibel.
Ob Heuboden (10)
Burenboden (11)
Auch noch schlau, zwei parallele Wege – zumindest visuell – anzubieten. Wenn das GPS meiner Position – <räusper>, wie bei mir gerade – nicht sehr genau ist, kann man sich da tatsächlich fast verirren. Ich habe mich zwar nicht ver- aber bin umhergeirrt.
Tierhag (12)
Lustig, der Name dieses Abschnitts. Der Hag muss ziemlich alt sein, wenn er dem Grätchen seinen Namen geben konnte.
Man sieht es nicht, aber es ist die zweite Steilherausforderung. Trittfest muss man auch sein.
Schnebelhorn (13)
Das Näbelimeerli. Ich fötele ein bisschen vor dem Gipfel, weil ...
... der schon bevölkert ist. Voll auf der Grenze Zürich Oberland / Toggenburg (v.l.n.r.).
Unter Schnebelhorn (14)
Es ist verrückt: Kaum bin ich im Toggenburg, verändert sich der Dialekt der Leute, mit denen ich spreche.
Auf dieser Seite gibt es richtige Berge.
Ob Meiersalp (15)
Waldkränze nennt man das wohl.
Ein Strich durch die Rechnung nennt man das wohl.
Na, also, doch noch ein Nebelmeer. Wär jetz no gsii, wenn meine Anstrengungen nicht gelohnt hätten. Das Toggenburg bringt's.
Bei Meiersalp (16)
Der Skispringer Simon Ammann kommt ja vom Toggenburg. Aber von der anderen Seite, meine ich.
Auf'm Grat 1 (17)
Ich schaue rechts, ich schaue links: Nebelmeere!
Laubberg (18)
Ich kenne die Damen nicht, aber die Hintenlaufende habe ich beim ersten Sichten als Kinderwagen wahrgenommen:
Ich wandere auf eine Kuppe zu, es hat ja viele auf diesem Grat. Dann sehe ich die vornelaufende Dame, die aufgrund der Kuppe für mich nur ab etwa der oberen Hälfte Oberschenkel zu sehen ist mit einem Kinderwagen. Von diesem wiederum ist natürlich nur das hinaufgeklappte violett/lila-weinrot gestaltete Dach sichtbar. «Ein Kinderwagen, hier!» schreit es in mir. Das heisst also, ab hier ist es ein Spazier- und nicht mehr ein Wander- oder gar Bergweg. Welch Enttäuschung! Ich gehöre doch nicht zu diesen gemütlich schlurfenden Zeitgenossen und -genossinnen, die da für ein Stündchen plaudernd flanieren!? In diesem Moment bewegt sich das Kinderwagendach, streckt und reckt sich nach oben und wird zur hintenlaufenden Dame. Ich bin ihrem Hintern aufgesessen.
Auf'm Grat 2 (19)
Noch diesen Gratteil, und dann aber ganz sicher endlich die Abzweigung nach LibingenToggenburgSG. Ich habe Nebelmeere satt und will hinunter in's kaltfeuchte Klima.
Ob Under Stein (20)
<stolper> Auch wenn ich müde bin, der Spruch «Muesch halt de Chopf bide Sach ha!» von meiner Mutter hilft. Sie hatte einfach verdammt recht, das gilt für Alles.
Bei Under Stein (21)
So, jetzt aber 'runter in's Tal, mich an den Nebeltröpfchen laben.
Unterstein (22)
In katholischen Stammlanden mit den ausgeprägten Hierarchien. Es heimelt mich an, stamme ich doch aus einem solchen Gebiet. Wir mussten uns jeweils bekreuzigen, wenn wir am leidenden Jesus am Kreuz vorbeikamen. Leider vergesse ich ihn in diesem Moment, diesen schönen Brauch.
Ob Libingen (23)
Der Nebel ist launisch, er leckt und neckt mich, fliesst hinab, holt Anlauf und schwappt wieder hinauf.
Ich treffe auf eine Eingeborene und frage sie, wie lange ich noch habe bis in's Dorf. Sie fragt mich, wie lange sie noch aufwärts gehen müsse, um in die Sonne zu gelangen. Ich kann ihr Sonnenschein in etwa fünf Minuten zusichern und sie mir, dass das Postauto in zirka 10 Minuten fahre, und dass die Beiz geschlossen habe, falls ich es verpasse (Rössli oder Schäfli oder beide?). Sie gibt mir auch noch Abkürzungstipps. Auf meine zusätzliche Frage, in welche Richtung ich das Postauto nehmen solle, meinte sie, es gäbe nur eine Richtung (nein, sie hat dabei nicht spöttisch gelächelt). Oh, dann ist es ja einfach (zuletzt war's dann doch nicht so ...).
Libingen (24)
«Libigä» im hiesigen Dialekt (glaube ich jedenfalls zu wissen) öffnet die Nebeltore für mich.
Endstation. Für mich jedoch ein Anfang in ein neues Leben mir Dir, Libigä in mir.
Unterwegs steigt ein Bub – vielleicht 8 Jahre alt? – ganz alleine in's Postauto und löst scheu ein Billet nach Bütschwil. Es ist erfrischend, sowas zu sehen angesichts der aktuellen Generation von Helikoptereltern. Bei der Station «Altersheim» steigt er aus. Geht er seine Grosseltern besuchen? Wie schön! Oder vielleicht ist er einfach nur von zuhause abgehauen und spielt den Alten böse Streiche. Aufregend, so eine Postautofahrt!